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Geldpolitik: Keine Morgendämmerung

Geldpolitik: Keine Morgendämmerung

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die wichtigsten Zentralbanken haben das Tempo der Zinsstraffungen zwar gedrosselt, bleiben aber bisher noch unerwartet restriktiv.
  • Hinsichtlich der geldpolitischen Ausrichtung scheint damit für Anleger noch keine Morgendämmerung in Sicht.
  • In diesem Umfeld erscheinen Anleihen im relativen Vergleich der Anlageklassen kurzfristig noch attraktiver als Aktien.

In Jahr 2022 fand am 21. Dezember die Wintersonnenwende in der nördlichen Hemisphäre statt. Seitdem werden die Tage wieder länger und im übertragenen Sinne setzt eine Morgendämmerung ein. Davon sind wir in der Geldpolitik noch meilenweit entfernt.

Nachdem Mitte Dezember die US-Notenbank (FED), die Europäische Zentralbank (EZB), die Bank of England und die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihren Leitzins um jeweils 50 Basispunkte erhöht haben, dürfte die Morgendämmerung hinsichtlich eines Endes des laufenden Zinsstraffungszyklus noch eine ganze Weile auf sich warten lassen. In Abbildung 1 ist gut ersichtlich, dass es in der westlichen Welt kaum eine Notenbank gibt, die in diesem Jahr nicht an der Zinsschraube gedreht hat, um die schnell und unerwartet stark angestiegene Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen.

 

Abb. 1: Die Leitzinsen der wichtigsten Zentralbanken steigen weiter
Leitzinsen

Quelle: LIQID, Bloomberg. Zeitraum: 30.11.2021 – 31.12.2022.

 

Ausrichtung der grossen Zentralbanken bleibt „hawkisch“

Die US-Notenbank hat mit der letzten Entscheidung zwar das Tempo der Zinsschritte gedrosselt – nach viermaliger Erhöhung um jeweils 75 Basispunkte – bleibt jedoch klar restriktiv. Der von Anlegern erhoffte „Pivot“, also die Trendwende in der Geldpolitik, scheint wieder ein Stück in die Ferne gerückt zu sein. Zudem verringert die US-Zentralbank ihre Bilanz weiter („Quantitative Tightening“), was wie eine zusätzliche Zinserhöhungen wirkt. 

Überrascht wurden die Kapitalmärkte in derselben Woche aber vielmehr von der unerwartet restriktiven Ausrichtung der EZB. An einem der wohl wichtigsten Zinsentscheide seit dem Ende der Ära von Mario Draghi, hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde in Sachen Inflationsbekämpfung das Zepter nun fest in die Hand genommen. So stellte auch die EZB im ersten Quartal 2023 eine Verringerung ihrer Bilanz, respektive ein „Quantitative Tightening“ in Aussicht. Vor nicht einmal zwölf Monaten wäre dies in der Eurozone wohl noch undenkbar gewesen. Auch überraschend ist, dass die EZB nun die Kerninflation Ende 2023 bei über 4 Prozent sieht und somit doppelt so hoch wie von ihr angestrebt ist.

Es bleibt abzuwarten, wie die EZB mit einer „Terminal Rate“ von lediglich 3 Prozent die Inflation bekämpfen will und was die Auswirkungen nicht nur auf die Zinskurve, sondern vor allem auf die Spreads, also die Risikoaufschläge, in der Euro-Peripherie sind. Um ihre Glaubwürdigkeit zu sichern, sollte die EZB die Leitzinsen wohl mindestens auf die erwartete Kerninflationsrate von rund 4 Prozent anheben. Dieses Niveau liegt derzeit noch 100 Basispunkte über den Markterwartungen. Die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Eurokrise im kommenden Jahr hat damit tendenziell zugenommen. Diesbezüglich dürfte das Augenmerk wohl auf den Spread zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen gerichtet sein.

Was heißt das für die Märkte?

Da hinsichtlich einer Trendwende der Geldpolitik („Pivot“) so schnell keine Morgendämmerung in Sichtweite ist und die Zentralbanken um ihre Glaubwürdigkeit kämpfen, stehen Investoren zum Jahresstart weiterhin vor großen Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund erscheinen Anleihen gegenüber Aktien im relativen Vergleich zum Jahresbeginn attraktiver, was insbesondere für kurzlaufende Unternehmensanleihen gilt. Solange die führenden Zentralbanken für Gegenwind sorgen, ist Geduld gefragt und Investoren sollten Kurs halten.

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